Einführungsrede von Tal Gat
Einführungsrede von Tal Gat
Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
der Botschaft des Staates Israel
zum Workshop „Delegitimierung Israels“
auf dem 2. Deutschen Israelkongress am 23. Oktober 2011
Sehr geehrte Damen und Herren,
geschätztes Publikum,
verehrte Referenten,
ich möchte den Organisatoren dafür danken, dass ich zu diesem Anlass sprechen
darf. Ich springe heute für den respektablen Journalisten Eldad Beck ein, der heute
nicht mit uns hier sein kann, und versuche, das Thema von jener Perspektive aus zu
beleuchten, mit der ich zu tun habe.
Seit August 2011 bin ich Leiter der Öffentlichkeitsarbeit in der israelischen Botschaft
und versuche, sowohl das facettenreiche Bild meines Landes, als auch Israels
Argumente zu vermitteln.
Hierbei ist zu beobachten, dass sich ein neuer Trend unter den so genannten
„Israelkritikern“ entwickelt, der Israels jüdischen Charakter ablehnt, die
Charakterisierung „jüdisch“ und „demokratisch“ anzweifelt, historische Fakten fälscht,
notorisch stereotype und verunglimpfende Begriffe verwendet um Israel zu
beschreiben, jeden Schritt angreift, den Israel zur Selbstverteidigung unternimmt,
mörderische Terrorakte gegen Zivilisten legitimiert und so weiter und so fort.
Für den Laien entsteht so ein Bild eines dämonischen, gnadenlosen und grausamen
Staates. Indem sie so viele Unterstützer wie möglich für diese Behauptungen
gewinnen, zielen diese „Israelkritiker“ darauf ab, Israels Ansehen zu schädigen und
so sein Existenzrecht in Frage zu stellen. An dieser Stelle überschreiten sie
allerdings das Maß, Israel fair und konstruktiv zu kritisieren und ihr Bestreben in allen
Lebens- und Alltagsbereichen, Israel zu diffamieren, wird unter dem folgenden Begriff
zusammengefasst: der Delegitimierungskampagne.
Die Delegitimierung führt jene Gruppen von Menschen zusammen, die sich über
nichts verständigen können, als darüber, Israel zu verteufeln: Die extreme Rechte,
Linke und Islamisten. Es zieht auch Unterstützer aus der Mitte der Gesellschaft an –
Leute, die „in“ oder „fortschrittlich“ – in die eine oder andere Richtung – erscheinen
wollen.
Die Delegitimierung selbst steht dabei nicht im Vordergrund, sondern harmlose,
angeblich selbstlose, universelle Themen, bei deren Diskussion allerdings
ausschließlich Israel angeklagt wird.
Es handelt sich zum Beispiel um Diskussionen über etwas Unschuldiges wie die
Menschenrechte. Schnell wird Israel ihrer Missachtung bezichtigt, doch gleichzeitig
werden Israels Sicherheitsbefürchtungen und der radikale Islam ignoriert und Israels
jüdischer und demokratische Charakter unterminiert. Die rechtsstaatlichen Strukturen
in Israel, die in einer solchen Diskussion für den Angeklagten sprechen, werden
systematisch ignoriert.
Nathan Sharansky hat einen Begriff geschaffen, den man eigentlich aus dem Kino
kennt, um diese Diffamierungsbemühungen zu definieren: die „3 Ds“ –
Dämonisierung, Doppelstandard und Delegitimation.
Dämonisierung geschieht durch einseitige Medienberichterstattung, die ungeprüfte
Übernahme der Berichte der Palästinenser und gleichzeitiges Ignorieren oder
Herunterspielen des Leids auf israelischer Seite, um ein Bild zu schaffen, das Israel
als skrupelloses Monster und die Palästinenser als schutzlose Kinder darstellt.
Gleichzeitig werden die Terror- und Raketenattacken gegen Israel als einzige
Möglichkeit zur Aufbegehrung gegen Israels angebliche „Aggression“ beschrieben.
Assoziationen zu Nazi-Deutschland oder dem südafrikanischen Apartheidregime
werden hergerufen und mit Israel verglichen, um eine harsche anti-israelische
öffentlichen Meinungsmache zu betreiben.
Doppelstandard wird insofern angelegt, als Israel, die einzige rechtsstaatliche
Demokratie im Nahen Osten, als einziger Staat durch wirtschaftliche oder
akademische Boykotte bedroht ist, aber gleichzeitig massivste Verletzungen der
Menschenrechte in der Region durch Diktatoren und Regimes gegen ihr eigenes
Volk ignoriert werden. Diese doppelten Standards werden benutzt, um Israel
auszugrenzen. Doch an dieser Stelle möchte ich Professor Michael Waltzer zitieren,
der sagte: es handelt sich hierbei um einen Standard in die eine Richtung und keinen
Standard in die andere.
Es ist in der Diskussion dieser Aspekte notwendig, sie unter dem Titel
Delegitimation Israels zu führen.
Sie wird auch B-D-S-Kampagne bezeichnet, da sie zum Boykott, zu De-Investition
und zu Sanktionen aufruft.
Kurz: BDS.
Es muss klar sein, dass, wenn diese „Israelkritiker“ zu BDS-Schritten gegen Israel
aufrufen, sie keine Zwei-Staaten-Lösung fordern. Ihr Aufruf hat nichts mit einem
„Ende der Besatzung“ zu tun oder einer Schaffung eines palästinensischen,
demokratischen, souveränen Staates an der Seite Israels. Sie dienen einzig und
allein der schrittweisen Isolation bis hin zur Vernichtung des jüdischen Staates.
Jene, die diese Kampagne vorantreiben, widersetzen sich den westlichen Normen,
nach denen wir alle leben. Der Boykott israelischer Produkte, Absagen von
kulturellen Veranstaltungen und gegen wirtschaftliche, wissenschaftliche und
akademische Kooperation mit Israel anzugehen, verletzt den Grundpfeiler des
liberalen westlichen Denkens. Doch es ist geht darüber hinaus. In den letzten Jahren
wurden auch Kooperationen zwischen der Al-Quds- und der Hebrew University durch
den Druck der BDS-Kampagne ausgebremst, ebenso wie die palästinensische und
israelische Gewerkschaft.
Dies sind Belege dafür, dass diesen „Kritikern“ nicht an einer friedlichen
Verständigung mit Israel und nicht am Wohl der Palästinenser gelegen ist.
Meine letzte Erfahrung hierzu war erst vor einem Monat hier in Deutschland. Ein
israelischer Wissenschaftler, der zu einem Seminar angekündigt war (das übrigens
nichts mit Israel zu tun hatte), erhielt kurz darauf einen Ausladungsbrief, in dem als
Grund angegeben war, dass seine wissenschaftliche Institution in Ariel liegen würde.
Dank des Engagements von akademischen Organisationen und von vereinzelten
Medien, wurde diese Entscheidung wieder rückgängig gemacht.
Aber auch wenn diese Geschichte erfolgreich endete, so müssen wir uns zukünftigen
Vorkommnissen dieser Art bewusst sein, dass 66 (sechs-und-sechzig) Jahre nach
dem Holocaust kein akademischer oder anderweitiger Boykott gegen Juden – oder
den Staat der Juden – stattfinden darf.
Sie, liebe Freunde, wissen es: Israel begrüßt Kritik und ist offen dafür. Unter
Freunden ist man mal einverstanden, mal nicht. Aber Kritik sollte nicht das
grundsätzliche Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes in Frage stellen.
Die Delegitimierungskampagne ist eine existentielle Bedrohung für Israel – und das
in nicht geringerer Weise als die radikalislamischen Terrororganisationen Hamas und
Hisbollah oder das Ayatollah-Regime in Iran.
Israels Unterstützer sollten gemeinsam die wahren Absichten solcher „Israelkritiker“
entlarven. Lasst sie sich nicht hinter angeblich selbstlosen Forderungen verstecken.
Nur wenn die Wahrheit dahinter aufgedeckt ist, können diese Delegitimierungs-
Angriffe, die sich als neuer Trend in alle Alltagsbereiche unseres Lebens schleichen,
verhindert werden.